Stellungnahme von MitarbeiterInnen des Instituts für Germanistik

 

Anhaltender Baurausch mit 100 Prozent Qualität?  

Die jüngste Nachricht ist ein Beispiel von vielen: Den MitarbeiterInnen des Instituts für Germanistik der Universität Wien wird mitgeteilt, dass im Zuge von Renovierungsarbeiten Fensterbänke und -rahmen gestrichen werden. "Leider haben wir [das Institut] diesbezüglich keine Informationen erhalten. Für die Arbeiten verantwortlich ist die BIG [Bundesimmobiliengesellschaft]. Die Renovierungsarbeiten werden trotz Einwänden und Anwesenheit der MitarbeiterInnen duchgeführt." (Interne Rundmail vom 6. Juli 2016)

Bauarbeiten begleiten und stören die Forschungs- und Unterrichtsarbeit an der Universität Wien seit 2009 ununterbrochen, der Umgang mit den Leidtragenden entbehrt dabei jeder Rücksichtnahme oder auch nur Höflichkeit. Hauptbaustelle im Hauptgebäude ist die mehrphasig angelegte Umsetzung von "Brandschutzmaßnahmen", die mit der Vollrechtsfähigkeit der Uni Wien 2002 angeblich notwendig wurde. Seither werden Treppenhäuser samt Aufzug entfernt und neu samt Aufzug aufgebaut, Fluchtwege verbreitert, ganze Gänge aufgegraben, Fliesen entfernt, Leitungen verlegt, neue  Fliesen verlegt, Türen durch Brandschutztüren ersetzt, stylische Panoramalifte provisorisch und dann dauerhaft installiert, provisorische Außentreppen (dauerhaft?) angebracht, alte (voll funktionsfähige) Lampen entfernt, neue Lampen montiert usw.

Brandschutz leuchtet ein und ist notwendig. Ganz geheuer sind jedoch den betroffenen Beteiligten - den MitarbeiterInnen, die neben Staub und Lärm forschen und lehren, aber auch Studentinnen und Studenten - weder Umfang noch Reihenfolge noch Kosten der Arbeiten.

Die dritte und - und noch immer nicht - letzte Bauphase der Brandschutzmaßnahmen bricht an. Sie soll vom Sommer 2016 bis Februar 2018 dauern. Es fällt schwer, das Wort "Schildbürgerstreich" im Zusammenhang mit diesem Projekt zu vermeiden: Nachdem kostenintensive Außentreppen und Aufzüge in den Höfen gebaut wurden und zusätzlich das Stiegenhaus der Stiege 9 verbreitert wurde, angeblich um ausreichende Fluchtwegekapazität für die Studierenden zu schaffen, die sich in  Hörsälen und Seminarräumen oberer Stockwerke tummeln, werden nun Hörsäle und Seminarräume ins Tiefparterre verlegt. Es fragt sich: Wozu genau braucht man jetzt die teuren verglasten Panoramatreppen? Nicht, dass es nicht vier weitere - zum Teil vergrößerte - Treppen im Gebäude selbst gibt, die genützt werden könnten... Und: Barrierefreiheit im Brandfall ist dadurch auch noch nicht gegeben. Wie würden RollstuhlfahrerInnen das Gebäude, dessen Aufzüge im Brandfall gesperrt werden, verlassen?

Die Baustrategen planen allen Ernstes, hohe, groß dimensionierte Räume eines historischen, denkmalgeschützten Gebäudes, die als Hörsäle konzipiert waren und sich über die Jahrzehnte als solche bewährt haben, aufwändigst in Büros zu verwandeln (anstatt sie schlicht zu modernisieren), und dafür Büroräumlichkeiten mit ebenso großem Aufwand in Hörsäle/Übungsräume. Man gewinnt den Eindruck, die Bautätigkeit ist hier zum Selbstzweck geworden. Nur nebenbei: Die Größe der Übungsräume nimmt dank dieser Planung  - bei steigenden Studierendenzahlen - ab. Das Institut für Germanistik erfährt in Folge dieser Umbauten massive Nachteile, ohne dass das Institut für Skandinavistik sich als Gewinnerin fühlen könnte. Cui bono? Wer profitiert davon?

Wäre es nicht mühsamste Realität, es wäre heiterste Satire: Ein Jahr lang, von Februar 2018 bis Februar 2019 soll in Bauphase 4 der Lehrbetrieb in die (dann schon fertigen?) Übungsräume ins Tiefparterre verlegt werden. Zugleich werden die bestehenden Übungsräume im zweiten Stock zu Büros umgebaut (für rund 15 MitarbeiterInnen). Gleichzeitig soll in den Büros des darüber liegenden Stockwerks eine Frischluftzufuhr (jetzt nur bedingt gegeben) sichergestellt werden. An eine Absiedlung der Personen, die in diesen Büros arbeiten, "ist nicht gedacht": Konkret: ein Jahr lang Lärm und Staub und Dreck bei laufendem Betrieb. "Es wird versucht, die Bauarbeiten nach Möglichkeit in der vorlesungsfreien Zeit durchzuführen." Aha. Und was genau hat das alles mit Brandschutz zu tun? Und wie genau wären etwaige Notwendigkeiten - welche genau? - effizienter zu gestalten?

Zeit, Staub, Raum: Die Rechnungen der BIG gehen nicht auf. Ähnliches zeigt der Bericht des Rechnungshofes in Bezug auf die Kostenkalkulationen der Bundesimmobiliengesellschaft.

Sichtbar wird: Die BIG hat sich fest verkalkuliert. Waren 2008 noch 20 Mio. Euro bei einer Verteilung auf zehn Jahre veranschlagt, betrug die Gesamtkostenschätzung der BIG im Oktober 2012 bereits 38,82 Mio. Euro. Im September 2014 erreichte die Gesamtkostenschätzung 41,11 Mio. Euro - "exklusive Erstellung Brandschutzkonzept und Kostentragung der Universität Wien für Brandschutzmaßnahmen". Diese Kosten beinhalten lt. RH-Bericht "Mehraufwendungen" für drei neue Stiegen sowie für Brandschutzportale und Brandschutztüren "von rd. 5,77 Mio. EUR".

Große Bauprojekte sind kompliziert und nicht alles ist voraussehbar. Eine Kostenentwicklung wie diese, eine mehr als hundertprozentige Steigerung der kommunizierten Kosten, ist dennoch beträchtlich. Fast 47 Mio. Euro gehen in Baumaßnahmen, die dem Brandschutz dienen sollen. Die Kritik des RH bezüglich Planung und Finanzgebarung ist dabei klar: So wurde seitens der BIG eine Gesamtkostenschätzung überhaupt erst 2012 (!) vorgenommen, bei Planungsleistungen wurde der Preis als Zuschlagskriterium nicht berücksichtigt, es gab gewichtige Abstimmungsprobleme mit der Uni Wien. Allein im Zusammenhang des in seiner Sinnhaftigkeit fragwürdigen Umbaus der Stiege 9 sind dadurch 510.000 Euro an Mehrkosten entstanden. Auch wird die provisorische Einrichtung von Fluchtstiegen aus der Universitätsbibliothek kritisiert - auch hier entstanden Mehrkosten, weil die Entscheidung für die Umsetzung des damit verknüpften Bibliotheksprojekts noch nicht getroffen war. Die provisorischen Stiegen (mehrere Hunderttausend Euro) werden wieder entfernt werden. Oder auch nicht.

Die BIG ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und agiert daher nach wirtschaftlichen Erwägungen (wobei sie freilich Steuergeld ausgibt) - verblüffend, dass "100 Prozent Qualität", nicht aber der Preis bei Vergaben entscheiden sollte, verblüffend auch, dass teure Baumaßnahmen temporär sind oder in nicht nachvollziehbarer Reihenfolge stattfinden, verwirrend schließlich, dass sich die Notwendigkeiten noch immer nicht erschließen wollen.

"'Brandschutz' ist jedenfalls eine Zauberformel, die infrage zu stellen sich niemand getraut. Mit dem Totschlagwort "Sicherheit" lässt sich jede ökonomische Wahnsinnstat rechtfertigen. Entscheiden tut das nicht die vermeintlich autonome Universität, sondern ihre Hausherrin, die Bundesimmobiliengesellschaft BIG, die zu 100 Prozent der Republik Österreich gehört. Und sie tut das mit gottvaterähnlicher Autorität, ihre Entscheidungen sollen tunlichst wie Orakelsprüche hingenommen werden, das heißt: als alternativlos. Das Letzte, was hier zählt, sind die Bedürfnisse des Universitätspersonals oder gar studentisches Wohlbefinden. Offenbar werden die Zeit- und Energieverluste der Betroffenen sowie die Aushöhlung des Denkmalschutzes durch beträchtliche Firmenprofite mehr als aufgewogen." [*]

All das findet statt an einer Universität, die seit Jahrzehnten eine Mangelwirtschaft betreiben muss, sich die für ihr Prestige als vielfältige und praxiszugewandte Bildungsstätte bedeutende so genannte "externe Lehre" nicht mehr leisten kann, MitarbeiterInnen in "All-in-Verträge" steckt, Prädoc-MitarbeiterInnen de facto das Gehalt gekürzt hat und wo die MindestteilnehmerInnenzahl an einführenden Übungen (!) inzwischen bei 50 Personen liegt, wo Druckkostenzuschüsse nur noch in kleiner Auswahl gewährt werden und Dienstreisen ein Jahr im Voraus geplant werden müssen - egal, ob die Konferenz, zu der man möglicherweise reisen möchte, überhaupt schon angekündigt ist.

Ob sich ein Zusammenhang denken ließe? Wurden frühere Baupläne noch ernsthaft mit Brandschutzerfordernissen begründet, so sprechen auch Raum- und Resourcenmanagement und BIG mittlerweile offen von einem "Konjunkturpaket" und nur noch pro forma von Sicherheit.  Dieses Paket, so kann man unter rrm.univie.ac.at/projekte-des-rrm/aktuelle-projekte/brandschutz-hauptgebaeude nachlesen, wurde vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft "für die österreichischen Universitäten beschlossen. An der Universität Wien werden die über die BIG zur Verfügung gestellten budgetären Mittel für die Erhöhung der Sicherheit im Hauptgebäude - und somit für die Weiterführung der notwendigen Brandschutzsanierung - verwendet werden." Das heißt nichts anderes, als dass die vom Wissenschaftsministerium endlich zusätzlich locker gemachten Mittel überhaupt nicht in die Wissenschaft fließen, sondern in die Bauwirtschaft, wobei die umgesetzten Maßnahmen nicht nur den universitären Betrieb massiv beeinträchtigen, sondern auch in ihrem Ergebnis überwiegend unsinnig, ja sogar für die meisten Betroffenen nachteilig sind.  

Arno Dusini, Susanne Hochreiter, Pia Janke, Alexandra Millner, Lydia Miklautsch, Viola Schmitt, Günther Stocker, Daniela Strigl